Im Allgemeinen sind diese „Mach was aus deinem Leben“-Texte ja immer ziemlich 08/15. Und es besteht eine Chance, denke ich, dass dieser hier a) nie gelesen wird oder b) nur vom Herrn Professor und dem einen Schüler, der sich irgendwann in einer schlummrigen Schulstunde verklickt und so die Seite der Schülerzeitung aufruft. Und außerdem besteht auch eine Chance, dass ich morgen zuhause bleibe und dann weder den Text abgeben, noch den Lateintest schreiben muss und überhaupt kann ich das alles ja auch noch morgen früh überlegen. Irgendwo auf Tumblr lese ich ein paar oh so motivational quotes, die in mir keine Regung erzeugen, bis auf den leichten Ärger darüber, dass seit der ersten schriftlichen Dokumentation von „Carpe Diem“ niemandem mehr etwas Kreativeres einzufallen scheint.
Im Allgemeinen sind diese „Mach was aus deinem Leben“-Texte ja immer ziemlich 08/15. „Be the change you want to see in the
world.“ „Was dich nicht umbringt macht dich stärker.“ “Just do it.” Egal ob Oma, Lehrer, Internet oder Abreiß-Kalender – diese Sprüche sind weit verbreitet, viel gesagt und doch wenig einflussreich. Niemand erwartet mehr, dass sie helfen, denn motivieren kann man sich im Endeffekt nur selbst. Schon klar – auch dieser letzte Satz ist wahrscheinlich schon 2007 bei der Gemeindeärztin im Wartezimmer gehangen, um nach einem Monat mit „cogito ergo sum“ ausgetauscht zu werden. Eine Klischee-Aussage eben. Aber die meisten Klischees sind irgendwo auch gute Gedanken, die schon zu oft formuliert und gesagt wurden, weil jeder sie sagen möchte. Weil sie jeden und jede betreffen.
Mit Motivationslosigkeit, zum Beispiel, ist das so – an der leiden wir alle manchmal. Nun ist „Leiden“ an sich nicht besonders angenehm und weil wir uns nicht gerne schlecht fühlen wollen wir auch etwas dagegen tun. Immerhin gilt die „Motivation“ als der absolute Schlüssel zum Erfolg, zum Glück, zur Zukunft. Aber angeblich muss man sie erst finden. Und anscheinend funktioniert das nicht immer. Auf alle Fälle funktioniert es manchmal besser, zu klagen, zu jammern, zu raunzen, dass man „einfach keine Motivation finde“. Aber gerade, weil auch meine gerade zu verblassen droht, machen wir uns doch gemeinsam auf die Suche.
Wenn du sagst, dass du „einfach keine Motivation findest“, überleg dir zuerst, ob dich das stört oder nicht. Wenn nicht, willkommen in der abenteuerlichen Welt der Ausreden. Wenn doch, können wir es ändern. Und wenn du sicher bist, dass du das willst, hast du es schon zur Hälfte geschafft. Aber was ist das eigentlich genau, diese Qualität und scheinbare Superkraft, der unterstellt wird, der Schlüssel zu absolut allem zu sein?
Motivation heißt nicht gezwungenermaßen, sich auf alles zu freuen und die ganze Welt durch eine quietschrosa Brille zu sehen. Vielmehr ist der „motivierte Mensch“ jemand, der die Aufgaben seines Alltags mit einem gewissen Grund-Optimismus betrachtet und sich die positiven Seiten seines Schaffens immer wieder in Erinnerung ruft. Ein motivierter Mensch tut die Dinge nicht nur, weil er muss, sondern weil er möchte. Und das klingt doch eigentlich nicht nur nach einem produktiven, sondern vor allem nach einem schönen Leben.
Motivation heißt allerdings nicht, jeden Montagmorgen mit glänzenden Augen aus dem Bett zu springen, sondern sich bei einer Tasse Kaffee an die Freunde zu erinnern, die man in der Schule sehen wird. Motivation bedeutet nicht, jedes Schulfach zu lieben, aber doch davon auszugehen, dass man Interesse daran haben kann. Motivation heißt nicht, immer hundertzehn Prozent zu geben, Motivation kann genauso bedeuten, die eigene Kraft bewusst zu verteilen, manchmal zu sparen – und vor allem, zu dieser Verteilung zu stehen und sie selbst für sinnvoll zu halten. Vor allem ist Motivation kein Zaubertrank, denn du einfach so „finden“ und trinken kannst, um dann für immer ausdauernd und kraftvoll zu sein. Motivation ist kein Zustand, Motivation ist eine Bemühung. So, wie du auch jeden Tag aufs Neue nett zu deinen Freunden sein musst, damit ihr Freunde bleibt, musst du auch täglich an deiner Motivation arbeiten. Es braucht Zeit, um eine gute Freundschaft aufzubauen und meistens braucht es genauso lange, um eine gute Freundschaft mit dir selbst und deinem Alltag aufzubauen – deine Motivation nämlich. Und so wie Beziehungen mit Menschen, baust du die Beziehung zwischen dir und ihr auch am besten langsam auf, Schritt für Schritt. Weil das viel leichter ist. Morgens dein Bett zu machen wäre zum Beispiel einer dieser Schritte. Oder das „Wieso?“, mit dem du reflexartig auf diesen Vorschlag antworten willst, in ein „Wieso nicht?“ zu verwandeln. Oder beim Zähneputzen die Nachrichten anzuhören. Deine Zeit jeden Tag ein bisschen mehr zu nutzen.
Die Zeit ist nämlich ein großer Bestandteil dieser magischen Motivation. „Keine Zeit zu haben“ ist Kernpunkt der meisten unserer Ausreden. Aber mit der Zeit ist das so: Man hat sie immer, jeder hat gleich viel, nämlich vierundzwanzig Stunden, jeden Tag. Man hat sie und dann teilt man sie sich ein und nimmt sie sich. Für etwas „keine Zeit zu haben“ bedeutet also nur, sich für etwas keine Zeit zu nehmen. Ähnlich ist das auch mit der Motivation. Es ist nicht so, dass du sie „finden“ musst, du musst sie dir nur nehmen, an ihr arbeiten und alles tun, um sie nicht los zu lassen. Du kannst sie verteilen und verschwenden und nutzen wie du willst. Zum Beispiel mit den kleinen Veränderungen, die schon so viel bewirken können. Egal, wie schlecht dein Tag gelaufen ist – ein gemachtes Bett erinnert dich daran, wer Herr oder -in über deine Zeit und damit deine Motivation, dein Glück ist und es wird dir zeigen, dass du an diesem Tag zumindest etwas Kleines geschafft und geschaffen hast. Das kann dir dann niemand nehmen, genauso wie dir nichts und niemand deine Zeit und Motivation nehmen soll oder muss. Du musst sie niemandem schenken und wenn du dich doch dazu entschließt, kannst du dich jederzeit wieder umentscheiden. Weil die Motivation kein Zustand ist, sondern eine Beziehung, eine Bemühung und wie jede Beziehung oder Bemühung kann es mühsam, anstrengend sein, sie zu pflegen und es muss nicht immer funktionieren. Aber wenn du sie dir wünscht, diese Beziehung, diese Motivation, dann lass nicht locker. Lauf ihr nach. Lock sie an. Tu es und was auch immer dabei schiefgeht, versuche es weiter, für den Moment, an dem auch ich mich gerade sehe, da ich mich nun doch dazu überwunden habe, diesen Text zu schreiben. Der Moment nämlich, an dem du sagen kannst: „Ich habe etwas geschafft – ich habe etwas geschaffen.“