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Die USA: Ein Land entwickelt sich zurück

Die Geschichte zeigt uns einen tollen Trend: Die Welt wird offener, Demokratien blühen auf, Diskriminierung sinkt, das Leben wird freier. Dass das aber nicht immer so ist und bleibt, das zeigt uns derzeit niemand so deutlich wie die Vereinigten Staaten von Amerika, das „Land der Freiheit“.

Kommentar – Sebastian Bitzan, April 2024

Trigger-Warnung: Schwangerschaftsabbruch, Erwähnungen sexueller Gewalt, generischer Gewalt, Mord, Amok, Suizid.

Zurück ins 19. Jahrhundert

Ein zentrales Thema im 21. Jahrhundert ist sicherlich eines: Feminismus, Toleranz, die Bekämpfung des Patriachats. Und das völlig zurecht: Jahrhunderte lang waren Frauen, „People of Color“, die LGBTQAI+-Gemeinschaft und andere Minderheiten einer von weißen Männern dominierten Hasskultur ausgesetzt. Frauen hatten kein Wahlrecht und wurden bevormundet, Minderheiten versklavt, Trans-Personen und Homosexuelle entweder nicht anerkannt oder gar verfolgt, verurteilt und ermordet. All diese Rechte mussten mühsam erarbeitet werden.

Eines dieser hart erarbeiteten Rechte ist die Abtreibung: In Österreich ist diese seit 1975 als sogenannte „Fristenlösung“ grundsätzlich ohne medizinischem Grund innerhalb der ersten drei Monate einer Schwangerschaft möglich, solange davor ein Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt stattgefunden hat. Danach ist ein solcher Abbruch nur noch möglich, wenn eine ernsthafte psychische oder körperliche Gefahr für die Mutter besteht, eine schwere körperliche oder geistige Beeinträchtigung des Kindes zu erwarten ist oder wenn die Schwangere das 14. Lebensjahr noch nicht überschritten hat.

In den USA ist 1973 im Grundsatzurteil „Roe vs Wade“ vom US Supreme Court entschieden worden, dass Frauen grundsätzlich ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis in die 24. Woche haben. Diese Regelung war selbstverständlich hoch umstritten: Konservative Politiker und rechte oder sehr religiöse Gruppierungen setzten sich gegen diese ein. 2022 war es dann tatsächlich soweit: Der größtenteils konservativ besetzte US Supreme Court widerrief das damals gefällte Urteil, und öffnete damit die Tore für jegliche strengere Abtreibungsregelungen. Besonders im erzkonservativen Süden der USA hatte das auch sofort Folgen: Eine Reihe an Bundesstaaten entschied sich nach und nach für teils extrem strenge Abtreibungsgesetze. Abtreibungseinrichtungen wurden geschlossen, ÄrztInnen, die Abtreibungen durchführen, wurde mit strafrechtlicher Konsequenz gedroht. Für viele Frauen ist eine Abtreibung nun selbst bei gutem Grund – wie etwa einer vorangegangenen Vergewaltigung – nun ein viel größerer finanzieller und zeitlicher Aufwand.

Furchtbar geht es erst kürzlich im Bundesstaat Arizona zu: Hier hat der Arizona Supreme Court jetzt geurteilt: Ein Abtreibungsverbot aus dem Jahr 1864 wurde wieder für legal erklärt, was katastrophale Auswirkungen für die Frauenrechte dort hat. Nach diesem 160 Jahre alten Abtreibungsgesetz ist jegliche Abtreibung – auch in Fällen wie Inzest oder nach Vergewaltigungen – nun illegal, es sei denn das Leben der Mutter sei nachweislich in großer Gefahr. Das Gesetz war 73 dank „Roe vs Wade“ außer Kraft gesetzt, aber nie abgeschafft worden.

Berichte über (mögliche) Suizide, Amokläufe und andere Gewalttaten können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Die aktuellen Abtreibungs-Bestimmungen in den US-Bundesstaaten

Zu sehen sind die aktuellen Abtreibungsregelungen in den USA. In einem Großteil der Staaten ist Abtreibung illegal oder wird in nächster Zeit vermutlich für illegal erklärt.

Ein Hoch auf die Waffen, Scheiß auf Mental Health

Selbstverständlich sind Schwangerschaftsabbrüche nicht der einzige tief in der US-amerikanischen Gesellschaft verankerte Konflikt. Da wäre auch noch die steigende Waffengewalt und die psychischen Probleme bei Jugendlichen: Selbst hier geht es bergab.

Nachdem die USA bei ihrer Lebenserwartung ein Plateau erreichten, ging diese schon drei Jahre (!) vor der Covid-Pandemie stetig zurück – ein Trend, der sich seit der Covid-Pandemie und den Jahren danach leider bestätigt hat. Auch ließen sich Ungleichheiten entdecken: Nachdem über eine Million Menschen in den USA an den Folgen von Covid-19 starb, ging die Lebenserwartung über zwei Jahre zurück – bei People of Color sogar um mehr als das Doppelte. Dies lässt sich im wesentlichen wohl darauf zurückführen, dass diese immer noch einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem genießen. In anderen wohlhabenden westlichen Ländern gab es keine auch nur annähernd vergleichbaren Zahlen. Die USA haben ein massives Problem und werden bei der Lebenserwartung nach Schätzungen etwa zwei Jahrzehnte(!) zurückgeworfen. Tatsächlich lässt sich das allerdings nicht nur auf das schlechte Corona-Management zurückführen. Wie bereits erwähnt ging die Lebenserwartung ja schon ganze drei Jahre vor Covid zurück. Zusätzlich ging diese in allen Altersgruppen zurück, also auch bei jungen Menschen, wo Covid doch zum Großteil ältere Menschen betrifft. Das liegt wohl einerseits am immer schlechter werdenden Fast-Food, aber auch an diversen fehlgeschlagenen Strategien bei Drogenkonflikten und auch an der furchtbaren Mental-Health Politik, die verbunden mit den extrem lockeren und – aus unserer europäischen Perspektive verrückten – Waffenregelungen zu einer regelrechten Krise aus Amokläufen und Suiziden führte. Alleine 2022 gab es 647 Amokläufe – Das sind fast zwei jeden einzelnen Tag! Dieses Niveau lag nicht immer so hoch, tatsächlich lässt sich schon seit 2018 ein kräftiger Anstieg erkennen. Die Anzahl der Amokläufe und auch der damit verbundenen Toten stieg um etwa 40% an.

Wie bereits angesprochen geht dieser Amok-Trend auch mit einer erhöhten Suizid-Rate einher: Schon seit 2000 steigt die Anzahl an Leuten, die durch Selbstmorde sterben, mit jedem Jahr rapide an. Genauso auch die Rate an Suizidversuchen. Noch ärger wird es, wenn man die Entwicklungen der USA mit jenen europäischer Länder vergleicht. Es bildet sich eine gewaltige Schere, denn die Suizidraten der meisten europäischen Länder flachen ab. Es fehlen Behandlungsmöglichkeiten, -plätze und Aufklärung über Depression, mentale Gesundheit, Suchterkrankungen, Mobbing…

Alte weiße Männer…

Ein Großteil der Probleme in den USA – vor allem im Jugendbereich – wird sich auch auf die grundsätzlich sichtbar wenigen Engagement-Möglichkeiten für Jugendliche und speziell in der amerikanischen Politik zurückführen lassen. Das zukünftige Schicksal der USA wird dieses Jahr wohl in einem Kampf zwischen zwei Leuten entschieden werden: dem Demokraten und US-Präsidenten Joe Biden sowie dem Republikaner und Ex-Präsidenten Donald Trump. Bei beiden handelt es sich um uralte, weiße, heterosexuelle Männer. Wie schön, ein bisschen Abwechslung nach 248 Jahren der Existenz wäre ja zu viel verlangt. Wir stehen an einer Schwelle zwischen Gut und Böse, die Welt um uns verbrennt (wortwörtlich, Stichwort Klimawandel), es gibt Krieg wie schon lange nicht mehr (Russland-Ukraine, Völkermord im Nahen Osten), das weltweite Konfliktpotential ist auf einem Höhepunkt und das sind die Optionen der Amerikaner.

Keiner hat die USA so gespalten wie Donald Trump: Er hat sich inzwischen trotz (oder wegen) zahlreicher Anklagen wegen Machtmissbrauchs, finanzieller Verbrechen, usw. eine mächtige Basis an verrückten alles-glaubenden „MAGA“ (Make America Great Again) Anhängern geschaffen, die am Ende seiner Amtszeit sogar das Kapitol gestürmt haben. Weiters hält sich unter vielen Republikanern ja immer noch die nie bewiesene, sondern mehrfach widerlegte Theorie , wonach die letzte Wahl von Joe Biden „gestohlen“ wurde. Beide Präsidenten wollen „Amerika retten“. Der eine von der „Wokeness“ und bösen Impfungen, der andere vor der steigenden Gefahr eben dieser durchgedrehten extremen Rechten. Während Joe Biden wohl um einiges besser ist, ist dieser trotzdem eine extrem enttäuschende demokratische Wahl. Mit 81 Jahren (Trump 77) ist er nicht mehr der Jüngste, und hatte ja bekannterweise schon den einen oder anderen mentalen oder körperlichen Ausrutscher… Ich würde nicht wollen, dass einer von den beiden den „roten Knopf“ bedienen könnte, mit dem die Welt untergeht…

Kinder an die Macht!

„Die Zukunft ist offen. Sie hängt von uns ab – von uns allen.“

Hier stehen wir also – und nichts hat sich geändert. Selbst im mächtigsten Land der Welt regieren wie eh und je alte, weiße, reiche Männer, und wie schon damals werden Frauenrechte beschränkt. Eine Demokratie höhlt sich selbst aus, zerfrisst sich von innen. Frauen verlieren das Recht auf Abtreibung, eine extreme Waffengewalt gegen Kinder endet nicht, ein konservativer alter weißer Supreme-Court hat mehr Macht als die Mehrheit der 300 Millionen Menschen in diesem Land, in Florida wird Homosexualität zum Tabu, Regenbogenflaggen werden zerrissen, Frauenrechte mit Füßen getreten, einem 10-jährigen Vergewaltigungsopfer das Recht auf Schwangerschaftsabbruch verwehrt. All das bei einem wahrlichen Worst-Timing, in einer Zeit wo Emanzipation eine Selbstverständlichkeit sein sollte, aber Krieg, Geld und Macht die Welt regieren.

Die USA galten mal als Vorzeigeland für Demokratie und Freiheit – aber seitdem ging es wieder bergab. Sie sollten uns eine Warnung sein: Unsere Demokratie, Freiheiten und Rechte sind keinesfalls selbstverständlich. Sie können jederzeit verschwinden!

Auf echte Gerechtigkeit müssen wir wohl hoffnungsvoll warten – und dafür kämpfen!

Sebastian Bitzan, April 2024

Berichte über (mögliche) Suizide, Amokläufe und andere Gewalttaten können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Quellen:

  1. Abtreibungsregelungen USA per Bundesstaat; Roe vs Wade; Abtreibungsverbot Arizona 1864
  2. Rückgang Lebenserwartung USA; Amokläufe USA; Suizide USA
  3. Welt Artikel „2 alte Männer“; Patriarchat in den USA; Frauenrechte Ade

Sebastian Bitzan (7m) ist leidenschaftlich & im Verein Schachspieler – Ex-Jugend-Vizelandesmeister – sowie bei der Freiwilligen Feuerwehr in Guntramsdorf tätig, politikinteressiert und debattierfreudig!

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