Die Schulsprecher_in

Corona – Aufzeichnungen und Gedanken eines Schulsprechers, der immer noch zuhause ist

Hallo liebe Leserinnen und Leser,

nachdem mein letzter Artikel zu diesem Thema wohl eher von negativen EindrĂŒcken geprĂ€gt war, freut es mich, euch mitteilen zu können, dass ich mich mittlerweile mit der Situation mehr oder weniger abgefunden habe. Wie es mir also geht und was ich so mache, um mir meine Zeit zuhause zu vertreiben und mich bei Laune zu halten, lest ihr hier:

So ausgeschlafen und ausgeruht wie jetzt war ich bisher höchstens wĂ€hrend der Sommerferien (in dem Monat, in dem ich keinen Ferialjob hatte). Mein Tag beginnt gemĂŒtlich zwischen 8 und 9 Uhr. Ich stelle mir tĂ€glich den Wecker und bleibe dann meistens noch ein bisschen im Bett liegen. Schließlich raffe ich mich dann doch auf, ziehe mich an, und zwar genauso, wie ich mich auch in der Schule anziehe, um die eigene Moral aufrecht zu halten. Nun macht es mir jeden Tag aufs Neue Spaß, meine Geschwister aufzuwecken. Meine kleine Schwester bleibt jeden Abend viel zu lange auf und ist in der FrĂŒh kaum aus dem Bett zu kriegen. Zu meinem 15-jĂ€hrigen Bruder gehe ich ins Zimmer, begrĂŒĂŸe ihn mit einem herzlichen „Jetzt ist es aber schon Zeit aufzustehen“, ignoriere sein Murren und seine VerwĂŒnschungen und ziehe stattdessen liebevoll seine Jalousien hoch.

FĂŒrs FrĂŒhstĂŒck nehme ich mir mehr als die acht Minuten Zeit, die ich sonst unter der Schulzeit dafĂŒr einrĂ€umen kann. Ich habe mir sogar angewöhnt, meinen Teller danach in den GeschirrspĂŒler einzurĂ€umen, denn bisher habe ich diesen immer einfach nur in der KĂŒche abgestellt. Meine Französischlehrerin hat mich einmal als unselbststĂ€ndig entlarvt und mich „un grand bĂ©bĂ©â€œ genannt. ?

FĂŒr den weiteren Tag habe ich mir einen Stundenplan gemacht, den ich manchmal mehr und meistens eher weniger einhalte:

Es ist fĂŒr mich auf jeden Fall jetzt die Zeit der guten VorsĂ€tze, in der ich ein „Haushaltsmann“ werden will, der in der Lage ist zu kochen, zu putzen und seine WĂ€sche selbst zu waschen. ? Ich versuche nun außerdem, den Rat, den ich bisher jedes Jahr aufs Neue von der SchulĂ€rztin bekommen habe, zu befolgen und mich sportlich zu betĂ€tigen. Kein Scherz. Mit dem Kochen habe ich schon angefangen und es ist bisher noch (fast) nichts angebrannt. Zum Putzen und WĂ€schewaschen werde ich mich hingegen wohl noch motivieren mĂŒssen


Das mit dem Sport lĂ€uft bis jetzt eigentlich auch ganz gut, auch wenn ich mir nach dem Workout, das unsere Turnlehrer zusammengestellt und netterweise zur VerfĂŒgung gestellt haben, vorsorglich zwei Tage Pause von meinem Bewegungsplan genommen habe. Das Problem ist hier wahrscheinlich, dass ich nun keine Zeit mehr dafĂŒr aufwenden kann, mich beim Lehrer darĂŒber aufzuregen, dass zum Beispiel die LiegestĂŒtz so anstrengend sind und nun (zum ersten Mal) wirklich die Zeit in das Machen der Übungen investiere.

Ein bisschen weniger nobel war es vermutlich, meine Familie zu einem Netflix-Probeabo anzustiften (bei dem ich jetzt schon davon ausgehe, dass wir es behalten werde). Ich verbringe also momentan auch ab 30 Stunden pro Woche aufwĂ€rts – aber immerhin gemeinsam mit meinem Bruder – vor dem Fernseher und ziehe mir eine Serie nach der nĂ€chsten rein. Wenn ich also jemals wieder auf meine Freunde treffe, werde ich bei den ganzen Seriendiskussionen nicht mehr traurig am Rand stehen und zusehen. Ich habe auf jeden Fall bereits herausgefunden, dass meine beste Freundin mich entgegen meiner Annahme nicht vera**** hat, als sie mir vor fast zwei Jahren erklĂ€rte, die vier Personen auf ihrem Wallpaper wĂŒrden Denver, Nairobi, Tokio und Rio heißen. Sorry, dass ich das damals von dir gedacht habe ?

Online-Shopping ist ja mittlerweile auch stark im Trend. Bis jetzt habe ich 20€ fĂŒr ein Call of Duty fĂŒr die PS4 verschwendet, denn erstens ist das Spiel gar nicht so toll, wie ich es ihn Erinnerung hatte, als ich es in der Unterstufe immer (öfters) bei meinem Nachbarn gespielt habe, und zweitens hilft es mir entgegen meiner Hoffnungen auch nicht dabei mich abzureagieren. Also entweder habe ich gar nichts, was ich abreagieren muss, oder ich bleibe einfach beim Spaziergengehen. Das Geld sicher besser angelegt habe ich in die Empfehlung meines Lateinlehrers, die Reclam-Ausgabe von Ovids Amores zu kaufen, womit einem auf der einen Seite die Übersetzung des Arbeitsauftrages viel leichter von der Hand geht, aber vielleicht fange ich in der QuarantĂ€ne ja wirklich noch an, diesen antiken Liebesratgeber zu lesen. Das mit dem Sport hĂ€tte ich auch nicht fĂŒr möglich gehalten


Die Schule an sich geht mir glaube ich gar nicht so sehr ab, viel mehr vermisse ich die Leute (nicht nur SchĂŒler), die ich dort jeden Tag sehe. Es ist, glaube ich, gut sich seine Zeit selbst einzuteilen und eigenstĂ€ndig zu lernen – weswegen wir ja auch das FLipiK-Projekt fĂŒr die Modellklassen hatten – , aber bei Themen, die mich nicht richtig interessieren, macht es mir um Einiges mehr Spaß den Stoff gemeinsam im Unterricht mit meinen Freunden durchzunehmen, als diesen hier, alleine vor meinem Schreibtisch, zuhause zu lernen. Außerdem vermisse ich es, zu spĂ€t zum Unterricht zu kommen, weil ich mich in der Pause verplaudert habe, und dann zu sagen „Ich war unterwegs als Schulsprecher“. Meine ArbeitsauftrĂ€ge habe ich jetzt aber schon zum Großteil erledigt – auch die zachen, bei denen es so wirkt, als hĂ€tten manche Lehrer selbst nichts Besseres zu tun, als sich ArbeitsauftrĂ€ge aus der Nase zu ziehen, einfach um uns SchĂŒler (irgendwie und wenig sinnvoll) zu beschĂ€ftigen.

Das Highlight meiner Woche ist wahrscheinlich der Philosophieunterricht online per Videokonferenz ĂŒber Microsoft Teams, der bei einer KlassengrĂ¶ĂŸe von 12 auch wirklich gut funktioniert und wo ich mich immer freue, alle meine MitschĂŒler zu sehen. Mal schauen, ob das Ganze jetzt, wo zwei andere Lehrer nachziehen wollen, immer noch so viel Spaß macht...

Einmal in der Woche rufe ich in der Schule an, um mich zu erkundigen, wie es denn so lĂ€uft – außerdem stelle ich mir vor, dass allen Anwesenden sowieso sehr langweilig sein muss, wenn keine SchĂŒler da sind; einmal bin jetzt auch schon vorbeigegangen und letztens habe ich zwei Postkarten hingeschickt. Wirklich stolz aber bin ich darauf, dass ich mich als Schulsprecher auf das KeimgassenlehrersolidaritĂ€tsfoto eingeschmuggelt habe:

Mit meinem Lateinlehrer und VWA-Betreuer habe ich jetzt sogar schon ein paar Mal telefoniert, sonst bin ich mit den meisten meiner Lehrpersonen per Mail in Kontakt. Manche nerven mich, manche sind wahrscheinlich schon genervt von mir.

Den sozialen Kontakt mit meiner Familie (hauptsĂ€chlich Opa) und meinen Freunden versuche ich, so gut es geht, per Video(Telefon) zu halten. Ich war sogar schon bei einer Online-Party – allerdings nicht via Houseparty ? – und es tut mir wirklich leid, Herr Professor, dass ich Sie dann um 23:30 Uhr angerufen habe. Ich war nicht ganz ich selbst.

Ein positiver Aspekt ist sicherlich noch, dass ich nun die Dinge erledige, die ich bisher aus zeitlichen GrĂŒnden aufgeschoben habe: Ich habe mich zum Beispiel durch ein einstĂŒndiges Online-Self-Assessment durchgequĂ€lt und bin jetzt fĂŒr die AufnahmeprĂŒfung fĂŒrs Jurastudium angemeldet. Wann sie und meine Matura auch immer stattfinden mögen


Irgendwann schaffe ich es dann trotzdem nicht mehr, mich zu beschĂ€ftigen und manchmal wird mir doch langweilig. Meistens fange ich dann an, mir ĂŒber dies und das Gedanken zu machen; oder ich versuche mich als Philosoph: Ja, dir ist langweilig, das kannst du aber nicht Ă€ndern, ebenso wenig die jetzige Situation. Was du aber Ă€ndern kannst, ist deine Einstellung. MachÂŽ das Beste draus! Wer weiß, wenn ich nach drei Wochen zuhause schon anfange, SelbstgesprĂ€che zu fĂŒhren, vielleicht verliere ich in den nĂ€chsten Wochen noch vollends den Verstand
 ?

Jetzt wĂŒnsche ich euch allen einmal schöne und vor allem auch „echte“ Ferien und bleibt gesund!

Herwig Stockinger, Schulsprecher

Wie geht es euch da draußen? Wir veröffentlichen gerne eure Erfahrungsberichte in dieser Situation. Schickt euren Text einfach per Mail an markus.tobischek@keimgasse.at .

20 Jahre alt, Maturajahrgang 2020 Vize-Schulsprecher 2018/19 Schulsprecher 2019/2020 Absolventenverein Bundesherwig Jus-Student

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