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Rekrut Stockinger meldet sich zum Dienst

Um 0545 Uhr läutet mein Wecker. Ich ziehe mich an, putze meine Zähne und sitze 10 Minuten später im Auto, das ich mir kürzlich kaufen musste, auf dem Weg in das Amtsgebäude Vorgartenstraße (2. Bezirk, Wien). Ich warte bis die Wache das Tor öffnet. Der Wachsoldat kontolliert meinen Ausweis ohne ihn wirklich zu kontrollieren und öffnet den Schranken. Ich parke und betrete das Objekt 4. Dienstbeginn 0630 Uhr. Um 14:15 Uhr werde ich die Kaserne wieder verlassen.

Ich bin eingeteilt als Küchenhilfskraft. Meine Tage laufen alle nach dem gleichen Muster ab, sodass ich mich schon mehrmals gefragt habe, ob ich nicht vielleicht in einer Zeitschleife gefangen sei. Irgendwie bin ich das ja auch, denn bis zum Abrüsten am 28.2.2021 sind es noch gut vier Monate.

Doch zuerst:

Wie bin ich überhaupt hier gelandet?

In Österreich schon öfters diskutiert, aber noch nie abgeschafft, gibt es eine Wehrpflicht.

Gemäß §10 Abs. 1 Wehrgesetz sind „alle männlichen Staatsbürger, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wehrpflichtig“. Für den Fall, dass man bei der Stellungsuntersuchung für tauglich befunden wird, heißt das an unserer Schule für alle männlichen Maturanten, sofern sie nicht einen Aufschub beantragen, Bundesheer oder Wehrersatzdienst (Zivildienst, Auslandsdienst).

Ich habe mich aus Gründen, die ich heute immer noch nicht ganz benennen kann, für 6 Monate beim Österreichischen Bundesheer entschieden. Nach eineinahlb Monaten habe ich meine Grundausbildung bereits abgeschlossen und einen umfassenden ersten Eindruck erhalten, wobei ich noch nicht mit Sicherheit sagen kann, ob ich die Entscheidung bereue oder nicht.

Wo alles begann… Stellung

Den ersten Kontakt mit dem österreichischen Bundesheer hat man – auch wenn man später Zivildienst macht – bei der Stellung. Dieses eineinhalbtägige „Event“, zu dem alle Teilnehmer mittels blauem Brief eingeladen werden, dient der Feststellung der körperlichen und psychologischen Eignung für den Grundwehrdienst und ist ur langweilig.

In Niederösterreich hat man zusätzlich das Vergnügen, die Stellung in der Landeshauptstadt machen zu dürfen, also auch nicht gerade ums Eck. Dazu kommt, dass die Stellung um 0700 Uhr beginnt und sollte man als Schüler ohne Einkommen und ohne das Privileg ein Auto zu besitzen, dafür das Privelig haben in einer Ortschaft zu wohnen, die nur sporadisch an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen ist, so wird einem gnädigerweise gestattet, sich schon am Vortag bis 2200 bei der Stellungskommission einzufinden.

Übrigens: Der Eingang zur Stellungskommission ist jedenfalls nicht am Haupttor vom Kommandogebäude Feldmarschall Hess, sondern in einer Seitenstraße, wie mir die Wache erklärt und zwar mit einem Lächeln, das verrät, dass sie diese Auskunft heute schon öfter gegeben hat.

Schwer zu finden: Der Eingang zur Stellungskommission

Schließlich finde ich den Eingang, kriege ein Zimmer, wo schon ein paar andere Jugendliche in ihren Betten liegen, zugewiesen und die Waschräume gezeigt und werde mit dem Hinweis, dass ab 2200 Nachtruhe ist, meinem Schicksal überlassen.

Der nächste Tag beginnt schon nicht sehr vielversprechend, als dass ein unmotivierter Grundwehrdiener in der Früh ins Zimmer kommt und ein verschlafenes „Tagwache“ von sich gibt. Diejenigen von uns, die erwartet hatten durch einen lauten Schrei aus den Betten gerissen zu werden, wurden bereits an dieser Stelle enttäuscht.

Der Tag beginnt mit einer Blutabnahme (vor dem Frühstück) und verläuft auch sonst nicht sehr aufregend. Jeder Stellungsteilnehmer muss eine Reihe von Untersuchungsstationen absolvieren, darunter

  • Anmeldung & persönliche Daten
  • Messen und Wiegen
  • Sehtest
  • Hörtest
  • EKG
  • Harnprobe
  • Spirometrie (dabei atmet man so viel man kann in einen Trichter und dadurch wird das Lugenvolumen gemessen)

wobei man sich vor jeder Station anstellen muss und der ganze Stationenbetrieb so ziemlich lange dauert.

Das „Highlight“ des Tages ist auf jeden Fall der psychologische Test. Es handelt sich hierbei um einen zweistündigen Computertest, der Teile eines Intelligenztest beeinhaltet; Teile wo man sich fragt, was denn eigentlich abgetestet wird und Teile, wo man sich denkt: „Wollen die mich hier eigentlich ver*******?“

Was würdet ihr euch denken, wenn euch der Computer bittet 20 Minuten lang (keine Übertreibung!) einem Punkt am Bildschirm mit der Maus nachzufahren?

Hat man nun Kopfweh ist der erste Tag eigentlich schon überstanden, sodass man dann um 1600 Uhr in St. Pölten ist. Ohne ein Programm. Wen man – so wie ich – Glück hat auch noch bei leichtem Nieselregen.

Schließlich hat man die Zeit bis zur Nachtruhe irgendwie totgeschlagen und findet doch noch irgendwo seinen Schlaf, der von einer nervtötenden Fliege, die immer wieder im eigenen Gesicht landet, sowie von Geräuschen der vorbeifahrenden Züge nur geringfügig gestört wird.

Der zweite Stellungstag verläuft noch langweiliger als der erste, denn man verbringt ihn zum Großteil im Wartezimmer. Zu absolvieren gilt es einerseits noch das Gespräch mit der Psychologin, die das Ergebnis des Computertests mit einem bespricht und andererseits die individuelle Untersuchung beim Arzt.

Schnappschuss aus dem Wartezimmer

Während ich das Gespräch mit der Psychologin als sehr angenehm und freundlich in Erinnerung habe, schließlich hat sie mit mir über meine Intelligenz – also eines meiner Lieblingsthemen ? – gesprochen, so kann die Untersuchung beim Arzt, wenn man empfindlich ist, von einigen als unangenehm empfunden werden.

Nur so viel: Es gibt auch eine Tastuntersuchung, wo die Unterhose nicht anbelassen wird…

Die letzte Station, auf die man wartet, ist das Gespräch mit dem Leiter der Stellungskommision. Ist man endlich an der Reihe, wird einem im Eilverfahren eine Zahl zwischen 0 und 9 genannt, wobei null „untauglich“ und eins „vorübergehend untauglich“ bedeutet. In den meisten Fällen, gratuliert der Herr Oberst jedoch dazu, dass man tauglich ist, was durchaus seine Berechtigung hat, denn es heißt ja auch, dass man gesund ist. Nachdem man den Rechtsmittelverzicht, den man nicht einmal die Zeit bekommen hat richtig durchzulesen, unterschrieben hat, bekommt man noch ein Goodie-Bag und ist gegen Mittag fertig.

Und darf in meinem Fall im Schüttregen zu Fuß zum Bahnhof gehen.

Tauglich und weiter?

Entscheidet man sich für das Bundesheer, gilt es auch irgendwann einen Einberufungsbefehl zu bekommen. Ich habe mir gedacht, dass ich, jetzt wo ich mit der Schule fertig bin, gleich meine 6 Monate beim Bundesheer ableiste, um noch im März 2021 im Sommersemester mein Studium der Rechtswissenschaften beginnen zu können.

Ich rufe also direkt am Tag der Stellung (Mitte Juli), nachdem wir verkündet worden ist, dass ich tauglich bin, bei der zuständigen Abteilung (Ergänzungsabteilung NÖ) an, erkläre dass ich tauglich bin und nun gerne im September einberufen werden würde. So leicht ist dann doch nicht, denn man erklärt mir, dass das nicht geht. „Was soll da nicht gehen?“, frage ich mich.

„Bis Jänner sind wir voll.“

„Und was ist mit Wien?“

„Auch voll.“

„Burgenland?“

„Auch voll. Hören Sie ich kann Ihnen keinen Termin im September geben.“

Es hat mich einige Telefonate gekostet, unter anderem ins Verteidigungsminsiterium zur Beschwerdekommission des österreischen Bundesheeres, bis ich erfahren habe, dass es doch noch einen freien Platz für mich im September gibt. Und zwar bei der Stabskompanie in der Schwarzenbergkaserne in SALZBURG.

Schließlich erhielt ich also doch meinen Einberufungsbefehl. Ich habe mich am 1.9.2020 bis 1130 Uhr in der Schwarzenbergkaserne einzufinden.

Tag X – Einrücken

Nach einer zweieinhalbstündigen (für Grundwehrdiener immerhin kostenlose) Zugfahrt von Wien nach Salzburg Hauptbahnhof und einer halbstündigen Fahrt mit einer für mich völlig unbekannten Mischung aus Bus und Straßenbahn – dem Oberleitungsbus – steige ich direkt vor der Schwarzenbergkaserne aus.

In Salzburg habe ich gelernt, dass es auch Busse mit Oberleitungen gibt
Das Haupttor der Schwarzenbergkaserne

Die zwei oberen Fotos habe ich nicht gemacht, denn am 1.9.2020, hat es – wie sollte es auch anders sein – geregnet. Die Wache möchte meinen Einberufungsbefehl und meinen Personalausweis sehen und anschließend werde ich angewiesen zehn Meter hinter dem Tor gemeinsam mit anderen Jugendlichen zu warten. Nachdem wir alle schon ein bisschen nass geworden sind, dachte ich: „Das ist jetzt wohl ein Scherz“, als ein Truppentransporter aufgetaucht ist, wie man in sonst nur aus Filmen kennt. Nachdem wir alle mit samt Gepäck hinaufgeklettert waren, ging die abenteurliche Fahrt schon los.

All zu bequeme Fahrten darf man sich beim Bundesheer nicht erwarten

Vor einem großen Lagerhallenkomplex wurden wir abgesetzt, wo es galt einen Coronatest zu absolvieren, eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche aber falls es sich doch nicht vermeiden lässt, dann gebe ich euch denn Tipp nicht den Kopf wegzuziehen, nur weil einem der Arzt mit dem Stäbchen gefühlt durch die Nase bis gefühlt ins Gehirn fährt, weil dann muss noch ein zweiter Abstrich genommen werden…

Anschließend werde ich in die Unterkunft ins Objekt 19 weitertransportiert, wo mir ein Zimmer zugewiesen wird. Außerdem erhalte ich einen Brief, mit einem klimpernden Gegenstand darin, wo meine Sozialversicherungsnummer draufsteht. Ich bin noch allein in meinem Zimmer und frage daher den Soldaten, der am Gang sitzt, ob ich denn Brief schon aufmachen dürfe. Er sagt, er wisse selbst nicht was darin sei und meint ich solle ihn mal öffnen. Zum Vorschein kommt ein eigenartiger Metallgegenstand mit einer Kette daran. Ich glaube mich verhört zu haben, denn der Soldat erklärte mir, dass das meine „Hundemarke“ sei, die ich absofort immer um den Hals zu tragen habe.

Erkennungsmarke liebevoll auch Hundemarke genannt

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die ich wartend verbringe, kriege ich einen Zimmergenossen, mit dem ich ein bisschen zu plaudern anfange und eine weitere gefühlte Ewigkeit warte. Die Zimmer, die für vier Personen ausgelegt sind, werden coronabedingt nur doppelt belegt, was sich bald als sehr angenehm herausstellen sollte, da so jedem Rekruten zwei Spinde zur Verfügung stehen.

Die nächste Station war der Truppenarzt, wo jeder eine Harnprobe abgegeben musste (Drogentest) und die sogenannte Einstellungsuntersuchung absolvierte. Wie fast alles beim Bundesheer war auch dieses Prozedere mit sehr viel Warten verbunden.

Später hörte ich einmal den Spruch „80% seines Lebens verbringt der Soldat mit Warten“, was definitiv keine Übertreibung ist.

Der letzte Programmpunkt des Tages beeinhaltete das Ausfassen der Waffe, die überhaupt nicht so gefährlich aussah, wie ich mir eine Waffe vorgestellt hatte, mit drei leeren Magazinen, ein Feldmesser und eine ABC-Schutzmaske („Gasmaske“).

Das Sturmgewehr 77 A1

Heute wundere ich mich vor allem über die Selbstverständlichkeit, mit der wir alle „unser“ Sturmgewehr umhängten und im Spind verstauten.

Zum Schluss bekamen wir noch die Anweisung Körperpflege zu betreiben, was anscheinend nicht als selbstverständlich betrachtet wurde, und möglichst bald Schlafen zu gehen, denn am nächsten Tag würden wir um 0545 geweckt werden.

Mein Bett war übrigens zu kurz, aber das war mir am ersten Abend egal, denn ich war müde von der vielen Warterei und schlief nach diesem doch sehr aufregendem Tag bald ein, nicht ahnend was ich noch alles in meiner einmonatigen Grundausbildung erleben werde…

Das Zimmer in der Unterkunft

Herwig STOCKINGER, Rekrut

20 Jahre alt, Maturajahrgang 2020 Vize-Schulsprecher 2018/19 Schulsprecher 2019/2020 Absolventenverein Bundesherwig Jus-Student
2 Comments on this post.
  • florian Wagner
    23 November 2020 at 21:20

    Wer sich so über „im Regen stehen“, „Zugfahrten“ oder „unbequeme Fahrten beim Heer intern“ beschwert, sollte es sich gut überlegen, ob er der Richtige fürs Bundesheer ist.
    Aber ich gebe dir Recht, es wäre ja auch wirklich zu viel verlangt, wenn man sich bereits im Vorhinein über einen Termin erkundigt.

    LG

    • Herwig Stockinger
      24 November 2020 at 20:02

      Lieber Florian,

      danke für deinen Kommentar, den ich inhaltlich nicht ganz nachvollziehen kann.
      Was sagt der Umstand, dass ich nicht gerne – ohne Regenjacke oder Schirm, dafür aber mit Schuhen und einer Weste, die das Wasser mehr ansaugen, als abweisen – im Schüttregen stehe, über meine Eignung für das Österreichische Bundesheer aus?

      Selbiges gilt für die Zugfahrt zwischen Wien und Salzburg, worüber ich mich nicht beschweren wollte, sondern eigentlich positiv hervorheben wollte, dass ich den Weg von Wien Hauptbahnhof bis zur Kaserne in Salzburg in 3 Stunden zurücklegen konnte, und das als Angehöriger des Bundesheers sogar völlig kostenlos. Dass ich mich frage, wieso ich keinen Einrückungstermin in Niederösterreich oder Wien bekommen habe, was auch bei meinem Kompaniekommandenten in Salzburg, der sich dankenswerterweise um eine Versetzung für mich nach Wien bemüht hat, völlig unbegreiflich war, bestreite ich nicht. Wäre ich in Salzburg geblieben hätte ich im Gegensatz zu meinen anderen Kameraden, die nach der Grundausbildung alle zuhause schlafen können, wegen der langen Fahrtzeit von Montag bis Freitag immer alleine in der Kaserne übernachtet. Dass es Schöneres gibt als sich Freitagabend und Sonntagabend jeweils für 3 Stunden in den Zug zu setzen, um wenigstens eineinhalb Tage zuhause zu sein, erklärt sich von selbst.

      Bezüglich Terminen kann ich unabhängig davon, ob man Bundesheer oder Zivildienst macht, empfehlen sich rechtzeitig um eine Stelle zu kümmern.
      Was mich betrifft kann ich dir versichern, dass ich zwei Wochen nach meinem 17. Geburtstag Anfang April Stellung gehabt hätte, dann kam Corona. Dass die Stellungsstraßen am 2.6.2020 wieder öffnen würden, wusste ich – weil ich im Ministerium lästig war – offensichtlich bereits vor den zuständigen Sachbearbeitern in der Ergänzungsabteilung. Dass ich überhaupt noch in diesem Jahr gestellt wurde, da es wegen Corona in ganz Österreich einen enormen Rückstau bei der Stellung gibt – verdanke ich ebenfalls meiner Hartnäckigkeit. Dass man nicht einberufen werden kann, bevor man für tauglich befunden wurde ist bekannt. Wenn ich also in derselben Stunde, in der ich meinen Bescheid kriege, beim Militärkommando anrufe, so war das offensichtlich nicht rechtzeitig, weil sonst wäre ich hier eingerückt, aber ich habe mein Möglichstes getan.

      Abschließend kann ich glücklicherweie sagen, dass meine Grundausbildung in Salzburg durch sehr viele nette Kontakte und Begegnungen mit meinen Kameraden und Ausbildnern geprägt war, weswegen mir eine verhätlnismäßig sehr angenehme Grundausbildung zu Teil wurde, was ich also nicht wirklich als Nachteil empfinde.

      Mit lieben Grüßen
      Rekrut Herwig STOCKINGER

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