Auf diesem Bild sieht man unsere Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike, die ich eine Woche bevor wir nun alle zuhause bleiben müssen, beim Stand der Bundesschülervertretung auf der BeSt, sogar noch kennengelernt habe.
In letzter Zeit sieht oder liest man über sie immer wieder in den Medien und ihre jüngste Aussage „Wir wollen nicht der Jahrgang sein, dem vorgehalten wird, die Matura geschenkt bekommen zu haben“ sorgte vor allem in den sozialen Netzwerken für viel Aufregung.
Ich oute mich jetzt einmal in die Richtung, dass ich selbst ähnlich über diese Thematik denke; das soll aber nicht das Thema dieses Artikels sein. Über die standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung gab es bereits vor ihrer Einführung hitzige und sehr emotionl geführte Debatten. Es ist daher auch völlig normal, dass es in dieser Diskussion verschiedene Standpunkte gibt. Dennoch war ich ein bisschen bestürzt über den Shitstorm, der sich an dieser Stelle gegen die Bundesschulsprecherin anbahnte. Abgesehen von vielen Beleidigungen las ich viele Kommentare, die aus meiner Sicht von Ahnungslosigkeit zeugten, und alle mehr oder weniger in die Richtung gingen „die habe ich aber nicht gewählt“. Es gibt jetzt sogar dazu den eigenen Hashtag: #notmybundesschulsprecherin.
Für mich war das der Anlass einen Artikel über das System der Schülervertretung in Österreich zu schreiben und eines nur vorweg: Auch ich habe unsere jetzige Bundesschulsprecherin nicht gewählt.
Die überregionale Schülervertretung ist in Österreich im Schulunterrichtsgesetz (SchUG) und im Schülervertretungengesetz (SchVG) gesetzlich verankert und bundesweit einheitlich geregelt. Übrigens ist das dasselbe Gesetz, in dem steht, dass nur die Oberstufe den Schulsprecher wählen darf.
Demnach hat jedes Bundesland eine eigene Landesschülervertetung (LSV), die aus mindestens drei Landesschulsprechern plus Stellvertreter besteht. Die Zahl 3 kommt zu Stande aufgrund der drei unterschiedlichen Schultypen: AHS – also v.a. Gymnasium und Realgymnasium, BMHS – HTL, HLW, HAK etc. und BS – die etwas weniger bekannten Berufsschulen.
Die LSV-Wahlen finden immer am Ende eines jeden Schuljahres statt. Wahlberechtigt sind ausschließlich die Schulsprecher des jeweiligen Bundeslands, zur Wahl aufstellen lassen können sich nur Schulsprecher oder deren 1. Stellvertreter. Ich wünsche dir schon viel Spaß 😉 Erik, wenn du als Schulsprecher am Ende dieses Schuljahres (wann das auch immer sein möge) nach St. Pölten zur Wahl fahren darfst.
Zu den Aufgaben einer Landesschülervertretung gehört es, die Interessen der Schülerinnen und Schüler vor der jeweiligen Bildungsdirektion zu vertreten, Fortbildungsveranstaltungen für Schülervertreter (ich nenne es immer „Schulsprecherseminare“) durchzuführen und Schülerparlamente (auch eine coole Veranstaltung, wo wir Schülervertreter ein bisschen Politik spielen dürfen) abzuhalten.
Zusätzlich zur Landesschülervertretung gibt es bei uns auch noch eine Bundesschülervertretung. Diese setzt sich aus den drei Landesschulsprechern (einen für jeden Bereich) eines jeden Bundeslandes zusammen. 3 x 9 = 27 . Dazu kommen noch zwei Vertreter der sogenannten Zentrallehranstalten ZLAs. Vereinfacht gesagt sind das die ca. 15 Schulen, die im Schulsystem ein bisschen aus der Reihe tanzen. Sie unterstehen auch nicht einer Bildungsdirektion, sondern direkt dem Bildungsministerium. Zu ihnen zählen zum Beispiel das TGM Wien oder diverse land- und forstwirtschaftliche Schulen.
Die 29 Mitglieder der Bundesschülervertretung wählen am Anfang eines jeden Schuljahres aus ihrer Mitte einen Bundesschulsprecher. (Traditionellerweise wird ein Landesschulsprecher aus Wien als Bundesschulsprecher gewählt)
Natürlich ist es legitim zu diskutieren, ob eine Bundesschulsprecherin nicht vielleicht direkt von allen Schülern gewählt werden sollte. Ich persönlich stoße mich ein bisschen daran, dass fast ausschließlich nur Kandidaten der ÖVP-nahen Schülerunion zur Wahl stehen und auch gewählt werden.
Man kann aber auf jeden Fall sagen, dass wir in Österreich sehr privilegiert sind, denn eine gesetzlich verankerte bundesweite Schülervertretung gibt es in kaum einem anderen Land auf der Welt.
Die Mitglieder der Bundesschülervertretung, die engagiert in ihrer Freizeit die Interessen aller 1,1 Millionen Schüler vertreten, verdienen unsere Solidarität und keinen Shitsorm via Social Media!
Herwig Stockinger, Schulsprecher
Übrigens: Unsere Schule ist zwar momentan geschlossen, aber wenn man reinkommt, beim Eingang rechts, habe ich ein Plakat der Bundesschülervertretung aufgehängt, das das ganze System nochmals erklärt.
Fotograf des Titelbildes: Alexander Krivda