Bevor ich diesen Text schreibe, möchte ich allen Leser*innen eindringlich klarmachen, dass es mir nicht leichtfällt, über das von mir Erlebte so offen zu sprechen. Zu belastet ist meine Seele durch die schrecklichen Ereignisse, die mir jeden Tag am eigenen Leibe widerfahren, seit die dunkelste aller Stunden, die siebte Klasse, angebrochen ist und ich mit meinen Klassenkamerad*innen die furchteinflößenden Hallen der Jakob-Thoma-Schule zum ersten Mal betreten musste.
Just kidding. Hallo und herzlich willkommen zu diesem neuen Text auf der wundervollen Seite kmon.at!
Wie aus der äußerst dramatischen Einleitung bereits hervorgegangen sein dürfte, sind meine Klasse und ich dieses Jahr nicht in der Keimgasse ansässig, sondern wurden – um unser eifriges Studieren nicht vom ohrenbetäubenden Lärm der Baustelle stören zu lassen – in die Jakob-Thoma-Schule ausquartiert. (Nur eine siebte Klasse wurde in der Keimgasse zurückgelassen. Die Gründe hierfür werden streng unter Verschluss gehalten.) Diese Veränderung stieß bei mir zunächst auf große Begeisterung, da diese Schule näher an meinem Wohnort liegt als die Keimgasse, was in mir die Hoffnung erweckte, ich könne in diesem Schuljahr möglicherweise zumindest an manchen Tagen der Woche das Klassenzimmer rechtzeitig erreichen. (Diese Hoffnung schlug leider recht schnell in Ernüchterung um, da sich herausstellte, dass mich eine nähere Schule lediglich zu noch späterem Aufstehen verleitet. Nun ja.) Vom Rest meiner Klasse waren jedoch von Vorneherein lautstarke Proteste zu vernehmen. Besonders die ominöse Hausschuhpflicht, von der man bereits gehört hatte, führte zu allgemeiner Empörung, schließlich sind Schuhe heutzutage ja ein wichtiges Statussymbol und werden gerne zur Schau gestellt. Die Verlegung in die Jakob-Thoma-Schule stand jedoch bereits fest und die Klasse musste murrend nachgeben. Hätten wir damals nur gewusst, was uns tatsächlich erwarten würde… (Dam-Dam-Daaam.)
Gleich in unserer ersten Woche in der Jakob-Thoma-Schule mussten wir feststellen, dass dort für Keimgassen-Schüler*innen ein recht anderer Wind weht. Wir waren zwar mit einer kleinen Ansprache von der Direktorin begrüßt worden, jedoch hatte sie in dieser Rede einige wichtige Dinge, die uns betrafen, unerwähnt gelassen. Zum Beispiel hatte uns niemand gesagt, dass es uns verboten sei, uns auf die Bänke im Innenhof zu setzen. Genau das taten zwei meiner Klassenkameradinnen nämlich bereits in der ersten Schulwoche, woraufhin sie mit den Worten „Das ist jetzt aber nicht euer Ernst, oder?“ durch die wütende Direktorin von dort vertrieben wurden. wirklich? Vermutlich war sie in Sorge, dass ihre eigenen Schulkinder – die keinerlei Anzeichen von Furcht zeigten, sondern den Keimgassler*innen stattdessen diverse Frechheiten zuriefen – durch die großen, bösen Siebtklässler*innen eingeschüchtert werden könnten.
Die Gerüchte von der ominösen Hausschuhpflicht stellten sich leider als wahr heraus – allerdings hatte niemand damit gerechnet, wie penibel tatsächlich auf diese geachtet werden würde. Der Schulwart schlich in den ersten Wochen andauernd im Stockwerk der Keimgassler*innen herum, in der Hoffnung, Missetäter mit Straßenschuhen auf frischer Tat zu ertappen, was für seinen Geschmack wohl zu oft geschah. Als dann eines Tages eine Keimgasslerin ein wenig zu spät kam und nur kurz – mit Straßenschuhen – in der Klasse Bescheid sagen wollte, dass sie da sei, kam erneut ein wutschnaubender Schulwart angetrabt und verkündete ihr, wenn sie nicht sofort ihre Schuhe auszöge, dann werde Gott sie strafen. Wortwörtlich. Genau so. Seit diesem prägenden Ereignis hat natürlich nie wieder jemand es gewagt, die Straßenschuhe anzulassen, denn schließlich will niemand die Strafe des Schulwart-Gottes auf sich ziehen. Haha. Ha. Ich bin dankbar für meinen vergebenden, evangelischen Gott.
Eine der Jakob-Thoma-Vorschriften, mit der wohl wirklich niemand gerechnet hätte, ist das Verbot, zwischen Dreiviertel und Punkt acht den Haupteingang zu benutzen. Ja, richtig. Man. Darf. Diese. Schule. Nicht. Durch. Den. Haupteingang. Betreten. Warum? Das habe ich leider bis heute nicht erfahren und ich vermute, auch keine*r der anderen Keimgassenschüler*innen. Fakt ist jedoch, dass auch die Einhaltung dieser Vorschrift genauestens von den diversen, dadurch irgendwie gelangweilt erscheinenden Jakob-Thoma-Angestellten überprüft wird. Einmal ging ich ganz normal – natürlich vom Hintereingang kommend – die Treppe hoch, als einer meiner Parallelklässler mit ziemlich hoher Geschwindigkeit an mir vorbeisprintete. Mein dem Teilaufmerksamkeit widmendes Gehirn dachte vermutlich etwas wie „Höhö, sieht aus, als würde der verfolgt werden.“ Nicht mal eine Sekunde später brüllte hinter mir jemand „HAAALT!“ und ein Jakob-Thoma-Lehrer kam ebenfalls an mir vorbeigeschossen und rannte dem flüchtenden Keimgassler, der wohl den Haupteingang benutzt hatte, hinterher. Bis in den zweiten Stock, wo sich die Keimgassen-Klassenräume befinden, verfolgte der Lehrer den Schüler, war aber wesentlich langsamer, sodass der Schüler schließlich – vermutlich ohne seine Schuhe ausgezogen zu haben – unbemerkt in einem der Klassenräume verschwinden konnte. Bei solch einer überspitzten Reaktion kann ich nur froh sein, dass ich immer zu spät komme und ab 08:01 Uhr getrost und unbehelligt durch den Haupteingang ins Schulgebäude spazieren kann.
Einige weitere Missstände, die verschmerzbar sind, aber aufgrund des momentanen Läster-Flows hier dennoch nicht unerwähnt gelassen werden dürfen, sind die folgenden:
- Die Heizung in unserer Klasse gibt hin und wieder schwer erträgliche, hohe Pfeiftöne von sich.
- An der Wand, auf die der Beamer projiziert, hängt ein fetter Haken, der unser aller Leben schwerer macht.
- Es gibt auf den Toiletten zum Händeabtrocknen keine Papiertücher, sondern diese wiederverwendbaren Handtücher die in so einem Spender drin sind und irgendwann wieder reingesaugt werden. Umwelttechnisch gesehen natürlich gar nicht schlecht, würden sie nicht durchgehend vollständig im Spender verschwinden, weil die Teile einen an der Waffel haben.
- Unser Klassenzimmer hatte am Anfang des Jahres noch ein Kreuz, allerdings war es bereits zu diesem Zeitpunkt recht lädiert. Mittlerweile hängt unser Jesus, der arme Dude, an der Pinnwand der Nachbarklasse. Möglicherweise schaffen wir es ja, ihn im Rahmen der Säuberungsaktion zurückzuerobern. (Nachtrag: Es ist uns nicht gelungen. 🙁 )
Das wohl größte Unglück ist allerdings keines der oben angeführten, sondern die Tatsache, dass wir nicht einmal unsere gesamte Zeit in der Jakob-Thoma-Schule absitzen, sondern zwischendurch auch immer wieder mal in die Keimgasse rüberjappeln müssen. Die Lehrkräfte, die eigentlich immer zu spät in die Jakob-Thoma-Schule gelangen, haben umgekehrt leider kaum Mitleid mit uns und tragen uns reihenweise als verspätet auf WebUntis ein. Das finde ich irgendwie nicht so nett, besonders, da ich im Gegensatz zu diversen anderen Leuten aus meiner Klasse nicht bei dieser Gelegenheit zum Hofer gehe, sondern tatsächlich extrem langsam beim Einpacken bin. Aber was soll man machen, so ist das Leben.
Natürlich ist es in der Jakob-Thoma-Schule in Wirklichkeit gar nicht sooo schlimm. Zwar sind alle hier beschriebenen Ereignisse tatsächlich so passiert, allerdings handelte es sich vermutlich um Einzelfälle, die zufällig die Runde gemacht haben. Schlussendlich ist es ja eigentlich egal, wo man in die Schule geht. Schule ist und bleibt schrecklich, egal, wo genau der Unterricht stattfindet. Und damit verabschiede ich mich für dieses Mal. Lebet wohl und ohne Corona.